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Stirbt Deutsch als Fachsprache?

Nov. 16, 2002

Für den RaDT ist die Rolle des Englischen als Lingua franca in Wirtschaft und Wissenschaft in der heutigen Zeit unumstritten, und für den Wissenstransfer und die Beteiligung am weltweiten Handel ist deshalb die Förderung der englischen Sprachkompetenz im deutschen Sprachraum von entscheidender Bedeutung. Im Auftreten von Anglizismen in den deutschen Fachsprachen wird generell keine Gefahr sondern vielmehr ein Zeichen für die Vitalität einer sich stetig wandelnden Sprache gesehen. Die Übernahme von Fremdwörtern ist eines der üblichen Mittel der Bildung neuer Fachwörter und Terminologien und hat für das Deutsche eine lange Tradition.


Der RaDT wies aber auch einhellig darauf hin, dass die übermäßige, häufig unnötige Verwendung von englischen Fachwörtern in der deutschen Sprache nur selten der besseren Verständigung diene. Fachsprachliche Benennungen sollten klar, eindeutig und motiviert sein, sodass beim Lesen und Hören der Sinn möglichst schnell und zweifelsfrei erfasst werden könne.


Der RaDT befürchtet, dass durch die Beschränkung auf das Englische als einzige Sprache der fachlichen Kommunikation und des Wissensaustausches das Deutsche als fachsprachliches Verständigungsmedium in bestimmten Fachgebieten zurückgedrängt und allmählich verschwinden werde (Domänenverlust). Wenn, wie jetzt schon in bestimmten Fachgebieten üblich, wissenschaftliche Artikel, Lehrbücher und Vorlesungen nur noch in Englisch veröffentlicht bzw. gehalten würden, könne das Deutsche auf die folkloristische Ebene reduziert werden und nur noch in Alltagssituationen und im literarischen Bereich als Verständigungsmittel funktionieren.


Wer auf die gezielte Fortentwicklung landessprachlicher Terminologie verzichtet, verzichtet eben auch auf die aktive Mitgestaltung an der Weiterentwicklung eines Fachs. Denn wenn auch die internationale Wissenschaftssprache Englisch ist, so kann an der internationalen Diskussion nur glaubwürdig und erfolgreich teilnehmen, wer auch aus dem wissenschaftlichen Potenzial des eigenen Landes schöpfen kann, das sich auch sprachlich eigenständig darstellt.


Forschung und Entwicklung lassen sich nicht in der Isolation der akademischen Elfenbeintürme oder der industriellen Führungsetagen betreiben, wo Englischkenntnisse die Regel sind, sondern finden ihre Basis in der praxisnahen Ausbildung und Qualifizierung von Facharbeitern, Technikern und Ingenieuren. Diese Ausbildung wird auch in Zukunft durch die kulturelle und sprachliche Eigenständigkeit geprägt sein. Alles auf die englische Karte zu setzen, würde bedeuten, die Wissenschaft von ihrer Basis in Forschung und Entwicklung abzuschneiden. Der deutsche Sprachraum behauptet sich als Wirtschaftsstandort wesentlich durch die Bindung von Wissenschaft an eine starke Basis, eine Bindung, die nur durch eine deutschsprachige Fachkommunikation möglich gemacht wird. Theorie und Praxis können nur im Dialog voneinander lernen. Damit sie sich verstehen können, brauchen sie eine verlässliche und vor allem verständliche Terminologie.


Der RaDT fordert daher alle mit Terminologiebildung befassten Institutionen und Organisationen im deutschen Sprachraum auf, künftig bei ihren begrifflichen Festlegungen der sich aus terminologischer Sicht ergebenden doppelten Verantwortung gerecht zu werden:


  • Fachsprachliches Deutsch muss als effizientes Werkzeug zur Erleichterung des innersprachlichen Wissenstransfers und für den Gebrauch des Deutschen in der internationalen Fachkommunikation gezielt ausgebaut werden.
  • Transparenz und Motivation der Fachausdrücke, Verständlichkeit und demokratische Aspekte des Abbaus von Informations- und Sprachbarrieren müssen dabei erhalten werden.


Ebenso werden die UNESCO und insbesondere die nationalen UNESCO Kommissionen, die EU-Institutionen sowie die befassten Regierungsstellen im deutschsprachigen Raum aufgefordert, im Lichte der nicht nur kulturell-gesellschaftlichen Rolle sondern auch wirtschaftlichen Auswirkungen der Verwendung deutscher Fachsprachen mit ihren Terminologien die vielfältigen terminologischen Aktivitäten im deutschsprachigen Raum im Rahmen der jeweiligen Informations-, Wissens- und Innovationsstrategien nach Kräften zu unterstützen.


Informationen:

Prof. Dr. Klaus-Dirk Schmitz

Fachhochschule Köln – ITMK

Mainzer Str. 5
D-50678 Köln

Mail: klaus.schmitz [AT] fh-koeln.de


Dr. Christian Galinski

Internationales Informationszentrum für Terminologie

Aichholzgasse 6/12
A-1120 Wien

Mail : Christian.Galinski [AT] chello.at


Donatella Pulitano

Staatskanzlei des Kantons Bern

Zentraler Terminologiedienst

Postgasse 68
CH-3011 Bern

Mail: Donatella.Pulitano [AT] sta.be.ch


Weitere Pressemeldungen

05 Apr., 2010
"Erfolgreiches Terminologiemanagement im Unternehmen" Praxishilfe und Leitfaden: Grundlagen, Umsetzung, Kosten-Nutzen-Analyse, Systemübersicht Die tekom-Publikation (www.tekom.de) ist Praxishilfe und Leitfaden zugleich: In der Studie sind die Ergebnisse einer Online-Umfrage zur praktischen Terminologiearbeit in 1000 Unternehmen zu finden; sie umfasst aber auch die wichtigsten Grundlagen der Terminologielehre, befasst sich mit den klassischen Terminologieproblemen in Unternehmen und erläutert in einem Vorgehensmodell die Kosten-Nutzen-Analyse für Terminologiearbeit. Ausserdem werden die Funktionalitäten von Terminologiewerkzeugen beschrieben und 16 Terminologiewerkzeuge verglichen. 297 Seiten, inkl. CD ISBN: 978-3-9812683-1-7 260 € "Best Practices in der Terminologiearbeit" Der Best-Practice-Ordner Terminologiearbeit des DTT (www.dttev.org) umfasst sechs in sich abgeschlossene Module, in denen alle Aspekte der Terminologiearbeit durchleuchtet werden: die theoretischen Grundsätze und Methoden, die Prozesse, die Ausbildung, die Werkzeuge, die Regeln zur Bildung guter Benennungen und – in dieser Form neu – ein Argumentarium, anhand dessen man die richtigen Argumente für die Terminologie findet. Die sechs Module sind über den Zeitraum von zwei Jahren in sechs Arbeitsgruppen erarbeitet worden, die aus Vertretern der Praxis und der Lehre zusammengesetzt waren. A4-Ordner ISBN 978-3-9812245-1-1 50 € " Terminologiewissenschaft – Eine Standortbestimmung " Das Wirtschaftspapier des RaDT (www.radt.org) beleuchtet die Bedeutung der Terminologie aus Managersicht: Terminologie spielt eine grosse Rolle im Zusammenhang mit Wissensmanagement, Markenbildung und Markenwahrung sowie Kundenpflege und Kundenbindung. Der Text ist während der letzten sieben RaDT-Sitzungen entstanden und möchte bewusst nicht mit der Terminologie ins Haus fallen, sondern über die drei Bereiche Wissen, Marken und Kunden dazu herleiten, was speziell die Entscheidungsträger ansprechen dürfte. 12 Seiten kostenloser PDF-Download Die drei Publikationen ergänzen einander und liefern alle nötigen Antworten für jene, die sich in irgendeiner Weise mit Terminologie befassen, diese ausüben und fördern möchten.
05 Nov., 2004
Der Rat für Deutschsprachige Terminologie (RaDT) ist ein Gremium von etwa 25 Expertinnen und Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bildungswesen des deutschsprachigen Raums, die sich mit terminologischen Fragestellungen, Anwendungen und mit Ausbildung im Bereich Terminologie beschäftigen. Hauptsächlich initiiert und getragen durch die nationalen UNESCO-Kommissionen von Deutschland, Luxemburg, Österreich und der Schweiz, umfasst der RaDT heute auch Vertreter aus Belgien, Dänemark und Italien. In den neuen EU-Mitgliedsländern gibt es Bestrebungen – z.B. in den baltischen Staaten – Terminologiegremien nach dem Modell des RaDT zu gründen. Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die Neuen Länder hunderttausende Termini bei der Übertragung des EU-Rechtsbestandes in ihre Nationalsprachen neu schaffen müssen und dabei die Erfahrungen von Terminologieexperten im deutschsprachigen Raum nutzen wollen. Der RaDT diskutiert strategische Fragen zur Position der deutschen Fachsprachen in Europa. Es hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass unterentwickelte Fachsprachen mit ihren unterentwickelten oder sogar fehlenden Terminologien negative Auswirklungen auf Innovation in Technik und Wirtschaft Wissenschaft und Forschung Bildungswesen haben. Umgekehrt ist die „relative Stärke“ des Englischen in den Fachsprachen weltweit auch Ausdruck der wissenschaftlich-technischen und wirtschaftlich-industriellen Vormachtstellung der angelsächsischen Länder. Der RaDT hat wiederholt darauf hingewiesen, dass Produkte und Dienstleistungen im Zeitalter der Globalisierung in den meisten Fällen in den Sprachen der Zielmärkte vermarktet werden müssen. Mit Hinblick auf die Mehrsprachigkeit Europas und seiner wirtschaftlichen Stellung in der Welt spielen mehrsprachige Terminologien in Industrie und Handel bei der Anpassung von Produkten und Übersetzung der technischen Dokumentation eine wesentliche Rolle. Europa könnte hier als Kompetenzregion für die Mehrsprachigkeit der Welt angesehen werden. Die terminologischen Unterschiede in den Verwaltungs- und Rechtssprachen in deutschsprachigen Ländern waren immer wieder Thema des RaDT. Die österreichischen und Schweizer Mitglieder des RaDT zeigten auf, dass diese Unterschiede aus verschiedenen Gründen nicht nur berechtigt, sondern in der Praxis unverzichtbar sind. Auch die Problematik des „Domänenverlust im Deutschen“ durch exzessive Übernahme von Fremdwörtern wurde angesprochen. Die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen solcher sprachlichen Entlehnungen, wenn sie unreflektiert und exzessiv geschehen, wurden in der Sitzung in einem neuen Positionspapier zum Domänenverlust im Deutschen zusammengefasst. Dabei wird ohne nationalistische Wertung erkannt, dass sich auf bestimmten Fachgebieten das Deutsche als fachsprachliches Kommunikationsmedium durch die Übernahme fremdsprachlicher Elemente zurückentwickelt. Die Empfehlungen und Dokumente des RaDT hatten wesentlichen Einfluss auf die Formulierung von politischen Programmen, wie z.B. Forschungs- und Entwicklungsprogrammen, in den Ländern des deutschsprachigen Raumes, auf EU-und internationaler Ebene.
31 Okt., 1997
Das Expertengremium aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Bildungswesen diskutierte Entwicklungsstand und Perspektiven im Bereich der Terminologie. Er konstatierte einerseits eine außerordentliche Vielfalt an terminologischen Aktivitäten und Initiativen, andererseits aber auch gravierende Lücken bei terminologiebezogenen Dienstleistungen. Dies gilt insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen, die sich im europäischen und internationalen Wettbewerb behaupten müssen und dabei immer noch Schwierigkeiten mit Fachterminologie für verschiedene Zwecke haben. Der RaDT begrüßt die Bemühungen der EU-Kommission, im Rahmen des MLIS-Programms (MLIS - mehrsprachige Informationsgesellschaft) eine terminologische Infrastruktur auf europäischer Ebene aufzubauen und dabei nationale Terminologie-Informations- und Dokumentationszentren zu vernetzen. Der RaDT stellte fest, daß andere Sprachgemeinschaften in Europa wesentlich weiter in der Entwicklung sind. Der RaDT empfiehlt deshalb den betroffenen Stellen in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Bemühungen zur Errichtung einer terminologischen Infrastruktur im deutschsprachigen Raum nach besten Kräften zu unterstützen.
22 Apr., 1997
Ein Vorschlag, der bei der FH Köln auf großes Interesse stößt. In der Terminologie entstehen ganz neue Berufsbilder und interessante Perspektiven für die Weiterentwicklung der Hochschule. Der RaDT begründete die Wahl der FH Köln damit, daß sie die einzige deutsche Hochschule sei, an der gleichzeitig anwendungsorientierte wissenschaftliche Kompetenz im Terminologiebereich (Fachbereich Sprachen) sowie im Informations- und Dokumentationsbereich (FB Bibliotheks- und Informationswesen) mit einer Standortnähe zu Wirtschaft, Organisationen, Behörden und Medienindustrie zusammenkomme. Durch das Institut würde in Köln der deutsche Knotenpunkt eines europäischen Netzes von Terminologiezentren entstehen. Ungenau oder überhaupt nicht definierte Begriffe können sowohl im nationalen als auch internationalen Sprachverkehr erhebliche Probleme verursachen. Vor allem in sehr innovativen Gebieten wie etwa der Erforschung neuer Krankheiten hat sich vielfach noch keine einheitliche Terminologie etabliert. Oft wird an verschiedenen Stellen an den gleichen Forschungsthemen gearbeitet und eine Vielzahl von Begriffen für gleiche Phänomene geprägt. Die Folge: Fachleute reden aneinander vorbei, Mißverständnisse häufen sich, wichtige Entwicklungen oder auch Informationen an Fachkollegen und die Öffentlichkeit werden enorm verzögert bzw. verhindert. Umgekehrt kann systematische Terminologiearbeit ein wichtiger Marktfaktor sein. So ergab beispielsweise systematische Terminologiearbeit in der Auto- und Verpackungsindustrie, daß gleiche Bauteile mehrfach unter verschiedenen Namen und Teilenummern im Lager abgelegt und von verschiedenen Produzenten bezogen wurden. Die Kostenersparnis, die sich hieraus ergab, wird mit mehreren hunderttausend Mark für ein einzelnes Teil angegeben. Hinzu kommt die Verhinderung von Produktionsausfällen wegen angeblich fehlender oder zur Zeit nicht lieferbarer Teile, die de facto vorrätig sind. Die großen Softwareproduzenten haben dieses Problem relativ früh erkannt. Sie investieren sehr víel Geld, um bereits bei der Softwareentwicklung die mehrsprachige Terminologie exakt festzulegen und einheitlich in Bedienoberfläche, Hilfefunktion und Dokumentation zu übertragen. Durch den Einsatz terminologischer Methoden bei den Übersetzungsarbeiten können Versionen für verschiedene Länder schnell und nahezu zeitgleich auf den Markt gebracht werden. Die Kosten für die lokale Anpassung der Software verringern sich so stark, daß sich auch die Entwicklung von Versionen für kleinere Sprachräume lohnt. Aufgabe des Deutschen Informations- und Dokumentationszentrums für Terminologie wäre nach bisherigen Planungen, Informationen über elektronisch verfügbare Terminologiebestände und Fachwörterbücher, über Software für die Terminologiearbeit, über entsprechende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten und über weitere terminologierelevante Themen zu sammeln, auszuwerten, aufzubereiten und interessierten Kreisen in Wirtschaft und Verwaltung zur Verfügung zustellen. Vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen, die sich im internationalen Markt behaupten wollen, wäre diese Informations- und Beratungsstelle eine große Hilfe. Anwendungs- und projektbezogene Forschung würden ebenso zum Aufgabengebiet gehören wie die Entwicklung und Betreuung von Ausbildungsbereichen für Terminologie.
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